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Tanja Skambraks ist Mittelalterhistorikerin an der Universität Mannheim, wo im März 2021 die venia legendi für das Fach Mittelalterliche Geschichte erwarb. Ihre Habilitationsschrift trägt den Titel: „Karitativer Kredit. Die Monti di Pietà, franziskanische Wirtschaftsethik und städtische Sozialpolitik in Italien“. Die Monografie erscheint Im Frühjahr 2023 in der Reihe der VSWG Beihefte beim Steiner Verlag.
Diese Arbeit leistet einen Beitrag zur Geschichte des vormodernen (Klein-) Kredits und Bankenwesens sowie der Armenfürsorge und zur Entstehung einer dezentral organisierten städtischen Wohlfahrt in der Vormoderne.
Tanja Skambraks behandelt darin die Entstehung und Genese der Monti di Pietà („Berge der Barmherzigkeit“) von der Mitte des 15. Jahrhunderts bis ins späte 16. Jahrhundert in Italien, mit Ausblicken nach Deutschland bis ins 17. Jahrhundert. Diese Pfandleihhäuser vergaben Kleinkredite gegen Pfand und einen geringen Zinssatz an die arbeitenden Armen (Handwerker, Tagelöhner, Witwen, etc.). Neben diesen Notkrediten, wie sie auch heute noch in Krisenzeiten gefragt sind, fungierten die Monti auch als Bankinstitute, indem sie Girogeschäfte und Depositeneinlagen anboten. Dieses innovative sozialpolitische Projekt wurde insbesondere von Franziskanern als Wohltätigkeitsorganisation ohne Gewinnstreben propagiert, von städtischen Oligarchen installiert und von städtischen Beamten geführt.
2014 wurde sie an der Universität Mannheim mit einer Arbeit über das Kinderbischofsfest im Mittelalter promoviert. Die Arbeit wurde 2014 mit dem Universitätspreis für Sprache und Wissenschaft ausgezeichnet. Mehrere Forschungsaufenthalte führten sie nach London, Rom, Perugia und Boston. 2009 bis 2011 war sie Stipendiatin der Gerda Henkel Stiftung. Das Studium der Mittelalterlichen Geschichte, Anglistik und Kommunikationswissenschaft absolvierte sie von 1999 bis 2006 an der TU Dresden und der University of Edinburgh.
Ihre Forschungsinteressen liegen bei den Themenbereichen Kredit und Marktteilhabe, Schulden, Wirtschaftsethik, soziale Arbeit sowie materielle Kultur und Ritualforschung.
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"},"id":"ba86a34f-1c4a-4993-aee9-794da19d5ed0","isHidden":false,"type":"klapptext"},{"content":{"summary":"Moralische Ökonomie. Wirtschaftsethik interdisziplinär gedacht","details":"Dieses Forschungsprojekt schließt an das Forschungsfeld der Wirtschaftsgeschichte aus einer ideengeschichtlichen und wirtschaftsethischen Perspektive an. Es verfolgt zudem eine thematische und interdisziplinäre Öffnung. Die Anbindung der mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte an gesellschaftspolitische Diskurse der Gegenwart ist ein zentrales Movens des Vorhabens. Bereits in meiner Forschungsarbeit zu franziskanischer Wirtschaftsethik und städtischer Sozialpolitik bildete das Konzept „moralische Ökonomie“ ein wichtiges heuristisches Instrument. Daran schließt sich die generelle Frage an, wie wirtschaftsethische und überhaupt ethische Normen und Werte ökonomisches Handeln in menschlichen Gesellschaften in der Langzeitperspektive steuern und beeinflussen. Ein Ausgangspunkt für diese Untersuchung ist das von E.P. Thompson 1971 geschöpfte Konzept der moralischen Ökonomie sowie dessen Fruchtbarmachung und Erweiterung durch empirische Forschung einerseits und durch interdisziplinäre Bezüge andererseits. Dass moralische Leitbilder, Wertvorstellungen oder religiöse Werte in der longue durée zu betrachten ein vielversprechendes Unterfangen ist, kann durch einen bereits bei Palgrave zur Publikation angenommenen epochenübergreifenden Sammelband (Skambraks/Lutz 2022) belegt werden.
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